EU-Pay-Transparency-Richtlinie: Die Deadline 2026 verändert HR in Europa
In weniger als zwei Jahren müssen alle Arbeitgeber innerhalb der Europäischen Union – vom Großkonzern bis zum mittelständischen Unternehmen – ihre Vergütungspraktiken sichtbar, messbar und fair gestalten.
Georg Schiebl

Bis zum 7. Juni 2026 tritt die EU-Entgelttransparenzrichtlinie (Richtlinie (EU) 2023/970, auch bekannt als EU Pay Transparency Directive) in Kraft. Sie markiert einen der größten Einschnitte in der europäischen HR-Compliance und Vergütungsregulierung seit Jahrzehnten. Für viele HR-Fachkräfte ist dies nicht nur eine gesetzliche Hürde, sondern ein Wendepunkt, wie Organisationen Vergütung, Kommunikation und Gerechtigkeit neu denken.
Geltungsbereich
Die Richtlinie gilt für Arbeitgeber mit 250 oder mehr Beschäftigten in der EU. Entscheidend: Diese Zahl wird über alle EU-Länder aggregiert. Damit betrifft sie auch Unternehmen, die in einzelnen Ländern nur kleine Niederlassungen haben.
Obwohl es in Deutschland bereits das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) von 2017 gibt, gehen die Anforderungen der neuen EU-Richtlinie deutlich weiter – insbesondere beim Gender Pay Gap Reporting und der Beweislast für „equal pay“.
Mehr als nur Vergütung: Ein Kulturwandel in HR und Payroll
Die Richtlinie zielt auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit, verändert aber weit mehr: Sie beeinflusst, wie HR, Payroll und Führungskräfte künftig über Transparenz, Verantwortung und Vertrauen im Unternehmen denken.
Von Prinzipien zur Praxis: Die fünf Säulen der Pay Transparency
Seit Jahrzehnten war Gleichbehandlung beim Entgelt ein Ziel. Jetzt liegt die Beweislast bei den Arbeitgebern, die zeigen müssen, dass ihre Vergütungssysteme fair sind.
- Gehaltsspannen in Stellenanzeigen:
Arbeitgeber müssen in Stellenausschreibungen oder spätestens vor dem ersten Gespräch die erwartete Vergütung oder Gehaltsspanne nennen. Fragen nach bisherigem Gehalt sind künftig unzulässig. - Geschlechtsneutrale Kriterien für Vergütung und Karriere:
Entgelte und Karrierepfade müssen auf objektiven, genderneutralen Faktoren wie Qualifikation, Verantwortung und Arbeitsbedingungen basieren. - Auskunftsrecht der Mitarbeitenden:
Mitarbeitende dürfen Informationen über ihre eigene Vergütung und den Durchschnitt für gleichwertige Tätigkeiten anfordern – mit einer Frist von zwei Monaten zur Beantwortung. - Gender Pay Gap Reporting:
Arbeitgeber mit über 250 Beschäftigten müssen jährlich über die geschlechtsspezifische Lohnlücke berichten – inklusive Medianunterschieden zwischen Männern und Frauen. - Handeln bei unerklärten Lohnunterschieden:
Wenn Lohnunterschiede über 5 % nicht objektiv erklärbar sind, müssen gemeinsame Bewertungen und Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden.
Diese Vorgaben sollen laut der Europäischen Kommission das Recht auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit nachhaltig stärken.
Gender Pay Gap Reporting: Mythen & Realität bis 2026
In Europa bleibt die geschlechtsspezifische Lohnlücke eine der hartnäckigsten Formen von Diskriminierung. Laut Europäischer Kommission verdienen Frauen im Schnitt rund 12 % weniger pro Stunde als Männer. Ein Teil ist erklärbar – vieles nicht.
Transparenz allein schließt die Lücke nicht. Nur etwa die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten verlangt derzeit ein verpflichtendes Gender Pay Gap Reporting. Fortschritte hängen von Governance, Datenqualität und Führungskultur ab.
Deutschland im Fokus: Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie
Auch für Deutschland gilt: Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) existiert bereits seit 2017 und adressiert Auskunfts- und Berichtspflichten. Obwohl dies ein Schritt war, reicht es nicht mehr: Das deutsche System muss nun an die neuen EU-Anforderungen angepasst werden.
Die Richtlinie setzt einen europäischen Standard. Doch die Umsetzung erfolgt national – das bedeutet Unterschiede in Zeitplan, Umfang und Anforderungen.
Deutschland:
Als größte Volkswirtschaft Europas ist Deutschland ein Schlüsselland für die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Am 17. Juli 2025 hat die Bundesregierung eine elfköpfige Kommission „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ eingesetzt – mit Vertreter*innen von BDA, DGB und großen Wirtschaftsverbänden. Ihr Ziel: Die Richtlinie effizient in deutsches Recht übertragen, ohne übermäßige Bürokratie.
Der Abschlussbericht liefert erstmals klare Leitplanken: Grundlage des Reportings soll die tatsächliche Jahresvergütung ab 2026 sein, bestimmte Zahlungen (z. B. Abfindungen) können ausgeschlossen werden. Unternehmen sollen zudem mehrere Gesellschaften in einem Bericht zusammenfassen dürfen, um Aufwand zu reduzieren. Das individuelle Auskunftsrecht greift erst ab 2027, um Systemanpassungen zu ermöglichen.
Die Kommission empfiehlt außerdem, Berichtspflichten mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) zu harmonisieren, damit ESG- und Vergütungsdaten künftig gemeinsam dargestellt werden. Gleichzeitig hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass bereits ein einzelner Gehaltsvergleich genügt, um mögliche Diskriminierung zu belegen – ein deutliches Signal, dass Transparenz schon heute gelebte Realität ist (vgl. https://www.linkedin.com/pulse/germanys-next-step-toward-eu-pay-transparency-inside-hendrickson-lljrc/).
Eine Richtlinie – viele Realitäten: Entgelttransparenz in den EU-Mitgliedstaaten
Niederlande:
Die Niederlande haben die Umsetzung der Richtlinie offiziell auf Januar 2027 verschoben. Dennoch können Beschäftigte die EU-Vorgaben ab Juni 2026 direkt vor Gericht einfordern. Diese Situation schafft rechtliche Unsicherheit, beschleunigt aber zugleich die Durchsetzung von Transparenzpflichten.
Frankreich:
Frankreich gilt als Vorreiter bei der Entgelttransparenz. Auf Basis des bestehenden Gleichstellungsindex wird die Schwelle für das Gender Pay Gap Reporting auf Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden gesenkt. Damit geht Frankreich über die Richtlinie hinaus und setzt europaweit Maßstäbe.
Polen:
Polen hat bereits erste Maßnahmen umgesetzt, die sich auf Transparenz im Recruiting konzentrieren – etwa verpflichtende Gehaltsspannen in Stellenausschreibungen. Elemente wie Pay Audits oder gemeinsame Entgeltbewertungen fehlen bislang, sodass die Umsetzung nur teilweise erfolgt ist.
Belgien:
In Belgien erschwert die föderale Struktur eine einheitliche Umsetzung. Aktuell gilt die Richtlinie nur in der französischsprachigen Gemeinschaft. Das führt zu unterschiedlichen Regeln innerhalb eines Landes – und erhöht den Aufwand für Arbeitgeber.
Spanien:
Spanien verfügt über starke Gleichstellungsgesetze, muss jedoch die Transparenz im Recruiting weiter ausbauen und die Schwellenwerte für Berichtspflichten senken, um vollständig konform zu sein. Der Umsetzungsprozess verläuft langsam, aber stetig.
Italien:
Italien hat bislang keinen Gesetzentwurf vorgelegt. Beobachter erwarten, dass die Richtlinie künftig in bestehende Gleichstellungscodes integriert wird. Damit reagiert das Land deutlich später als andere EU-Mitglieder.
Nordische Länder:
Dänemark, Schweden und Finnland verfügen bereits über etablierte Systeme für Lohntransparenz und Gleichstellungsberichte. Für sie bedeutet die neue Richtlinie eher eine Bestätigung bestehender Praxis – auch wenn zusätzliche Compliance-Anforderungen auf Skepsis stoßen.
Tschechien & Malta:
Beide Länder haben Geheimhaltungsklauseln bei Gehältern verboten, aber keine umfassenden Mechanismen für Entgeltbewertungen oder Pay Audits geschaffen. Damit erfüllen sie die EU-Vorgaben bisher nur teilweise.
Mittel- und Osteuropa:
Länder wie Österreich, Ungarn und Rumänien zeigen bisher wenig Aktivität bei der Umsetzung der Pay Transparency Directive. Ohne nationale Gesetze wird der direkte EU-Rechtsanspruch künftig wichtiger werden, insbesondere bei gerichtlichen Verfahren.
Vereinigtes Königreich (Nicht-EU):
Das Vereinigte Königreich ist seit 2017 zur Gender Pay Gap-Berichterstattung verpflichtet und bleibt trotz EU-Austritt ein Benchmark für Vergütungstransparenz in Europa.
Für international tätige Unternehmen gilt: Compliance darf nicht national isoliert betrachtet werden.
HR-Verantwortliche sollten ein einheitliches EU-Framework für Entgelttransparenz schaffen, das lokale Anforderungen berücksichtigt – von Datenerfassung bis zu Reporting- und Audit-Prozessen.
Warum frühes Handeln entscheidend ist
Warten auf das finale nationale Gesetz ist riskant. Systeme müssen aufgebaut, Daten bereinigt, Governance strukturiert werden. Organisationen mit frühzeitigem Start profitieren: Sie signalisieren Fairness, stärken Arbeitgeber-Marke und sind besser auf ESG-/Sozial-Reporting vorbereitet.
Typische Aufgaben:
- Datenqualität in HR und Payroll prüfen.
- Job-Architektur an geschlechtsneutrale Kriterien anpassen.
- Systeme konfigurieren für Gehaltstransparenz, Auskunftsrecht, Gap-Analyse.
- Governance- und Kommunikationspläne aufsetzen.
In Deutschland ist laut Analyse klar: Unternehmen müssen sich schon heute vorbereiten – nicht erst 2026.
Die reale Readiness-Lücke
Für Unternehmen mit mehreren Ländern und Systemen ergeben sich komplexe Herausforderungen: Daten liegen verstreut, Jobbewertung ist unterschiedlich, Governance ist länderübergreifend. Drei Ansätze:
| Ansatz | Merkmal | Risiko |
|---|---|---|
| Compliance-led | Fokus auf gesetzliche Pflichten, warten auf nationales Gesetz | Datenstruktur wenig transparent, Zeitdruck |
| System-led | HR/Payroll Plattformen (z. B. SAP SuccessFactors) nutzen | Technisch stark, aber Governance und Lokalisation fehlen |
| Change-led | Transparenz als kulturelle/ESG-Initiative | Gute Kommunikation, aber Daten- und Auditbasis schwach |
Lokale Readiness-Massnahmen: Deutschland im Fokus
Da die Richtlinie Mitarbeiterzahlen über alle EU-Standorte aggregiert, wird auch Deutschland für viele Arbeitgeber relevant sein, selbst wenn hier einzelne Gesellschaften klein sind.
Empfohlene Massnahmen:
- HR/Payroll-Daten in Deutschland mit anderen EU-Ländern verknüpfen.
- Bewertung von Tätigkeiten anhand vier geschlechtsneutraler Kriterien: Fähigkeiten, Aufwand, Verantwortung, Arbeitsbedingungen.
- EU-übergreifende Governance aufsetzen und nationale Besonderheiten einplanen.
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Wir schärfen den Blick fürs Wesentliche: konsolidierte Daten im richtigen Detailgrad, schlanke Geschäftsprozesse sowie flexible Reporting- und Analyseprozesse, damit Sie Trends früh erkennen und Entscheidungen fundiert treffen.
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- Definition einer sequenziellen Strategie und Governance-Struktur für nachhaltige Compliance.
Egal, ob Sie in drei oder dreißig Ländern tätig sind: Wir bringen regulatorische Komplexität auf eine klare Handlungslandkarte.
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Georg Schiebl
Author
Georg Schiebl bringt mehr als 13 Jahre Erfahrung im SAP Consulting als auch im SAP Sales, insbesondere für HXM und Talent Management Lösungen, mit. Als Leitung für Vertrieb und Marketing bei Zalaris berät er Unternehmen im Bereich Digitalisierung und Transformation von HR-Prozessen und ist zudem für unsere Großkunden verantwortlich.
Inhaltsverzeichnis
- Geltungsbereich
- Mehr als nur Vergütung: Ein Kulturwandel in HR und Payroll
- Von Prinzipien zur Praxis: Die fünf Säulen der Pay Transparency
- Gender Pay Gap Reporting: Mythen & Realität bis 2026
- Deutschland im Fokus: Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie
- Eine Richtlinie – viele Realitäten: Entgelttransparenz in den EU-Mitgliedstaaten
- Warum frühes Handeln entscheidend ist
- Die reale Readiness-Lücke
- Lokale Readiness-Massnahmen: Deutschland im Fokus