Kann bei Arbeiten im Ausland die Sozialversicherung im Inland bestehen bleiben? Worauf müssen Sie bei Wohnsitz in Deutschland und arbeiten im Ausland rechtlich achten? Hier finden Sie Antworten auf Fragen zu den Themen Workation und Homeoffice im Ausland.
Was ist Workation?
Der Begriff Workation setzt sich aus den englischen Begriffen „work“ (Arbeit) und „vacation“ (Urlaub) zusammen. Als Teil der „New Work“ beschreibt er eine Situation, in der Mitarbeitende örtlich flexibel in fremden Ländern arbeiten, an denen sie auch Urlaub machen. Mit mobilen Kommunikationsmöglichkeiten und der entsprechenden technischen Ausstattung ist es möglich, von weit entfernten Orten aus mit dem eigenen Unternehmen sowie mit Beschäftigten und Kundschaft zu kommunizieren. Als Sonderfall des Urlaubs beschränkt sich eine Workation regelmäßig auf die normale Urlaubsdauer. Sie bewegt sich häufig zwischen einer Woche und drei Monaten. Dieser Zeitraum kann sich auch aufgrund der Visa-Vorgaben anbieten.
Als klassischer Fall von Wohnsitz in Deutschland und arbeiten im Ausland verlangt Workation jedoch klare rechtliche Regelungen. Dies betrifft Arbeitsdauer und arbeitsrechtliche Grundlagen. Aber auch die Frage, wie es bei Arbeiten im Ausland hinsichtlich Sozialversicherung und Steuerrecht aussieht, ist zu klären.
Seit 1. Juli 2023 regelt ein neues multilaterales Abkommen grenzüberschreitende Telearbeit und Homeoffice im Ausland. Demnach ist für Mitarbeitende, die bis zu 49,99 Prozent der Arbeitszeit im Wohnsitzland leisten, weiterhin das Sozialversicherungsrecht jenes Staates anwendbar, in dem sich der Unternehmenssitz befindet. Wenn das Homeoffice dauerhaft im Ausland ist oder die Tätigkeit außerhalb des EU- und EWR-Raums erbracht wird, gibt es spezielle Rechtsanforderungen.
Als Unternehmen müssen Sie die Rahmenbedingungen für Workation daher sorgfältig prüfen, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Grundsätzlich gilt: Mitarbeitende haben kein generelles Recht auf Homeoffice im Ausland. Unternehmen und Beschäftigte sollten daher Art und Umfang der Arbeitstätigkeit sowie die rechtlichen Umstände klar vereinbaren. Dabei ist wichtig, vorausschauend zu planen.
Was müssen Sie als Arbeitgeber bei Arbeiten im Ausland und Sozialversicherung beachten?
Nach dem Beschäftigungsstaatsprinzip ist für Mitarbeitende das Sozialversicherungsrecht jenes Landes anwendbar, in dem sie arbeiten. Unter bestimmten Voraussetzungen bleibt aber beim Arbeiten im Ausland die Sozialversicherung in Deutschland weiterhin bestehen. Dabei muss immer die Mischung aus Staatsangehörigkeit und Einsatzort berücksichtigt werden.
Coronabedingte Sonderregelungen außer Kraft
Ist das Homeoffice auf weniger als 6 Monate im europäischen Ausland begrenzt, ist dies regelmäßig rechtlich unproblematisch. Allerdings müssen Sie bedenken, dass die coronabedingten, steuerrechtlichen Sonderregelungen nicht mehr gelten. Deshalb sind das Sozialversicherungsrechtssystem der EU-Länder und das deutsche Sozialversicherungsrecht zu beachten.
In der Pandemiezeit gab es Sonderregelungen, um sozialversicherungsrechtliche Folgen durch Grenzschließungen und Homeoffice zu reduzieren. Diese Regelungen waren bis zum 30. Juni 2023 in Kraft. Demnach bewirkte eine verstärkte Arbeitstätigkeit im Wohnsitzland nicht automatisch eine Änderung des Sozialversicherungsrechts. Nunmehr ist ein neues multilaterales Abkommen anzuwenden, das seit 1. Juli 2023 das Homeoffice im Ausland regelt.
Neues multilaterales Abkommen für Homeoffice im Ausland
Mit diesem neuen multilateralen Abkommen haben sich zahlreiche EU-Länder, EWR-Staaten und die Schweiz auf einen erleichterten Zugang zu Ausnahmevereinbarungen für grenzüberschreitende Telearbeit verständigt. Diese Rahmenvereinbarung ist zunächst für 5 Jahre gültig und verlängert sich anschließend automatisch um weitere 5 Jahre, sofern keine andere Absprache erfolgt.
Ohne dieses Abkommen würde diese Regelung gelten:
- Fall 1: Wenn die Telearbeit weniger als 25 Prozent im Wohnsitzstaat ausmacht, gilt weiterhin das Sozialversicherungsrecht des Heimatstaates (Unternehmenssitz).
- Fall 2: Ab 25 Prozent Telearbeit im Wohnsitzstaat wäre das Sozialversicherungssystem dieses Wohnsitzstaates anwendbar.
Mit diesem multilateralen Abkommen können Mitarbeitende im Wohnstaat bis zu 49,99 Prozent der gesamten Arbeitszeit als Telearbeit leisten und dennoch unter das Sozialversicherungsrecht des Staates fallen, in dem der Unternehmenssitz liegt. Die Voraussetzung ist, dass es sich um eine grenzüberschreitende Telearbeit handelt.
Grenzüberschreitende Telearbeit liegt vor, wenn Mitarbeitende
- die Arbeitstätigkeit an einem beliebigen Ort ausüben könnten,
- diese Arbeit aber in einem anderen Staat erbringen als dem Unternehmenssitz und
- dabei IT-Systeme nutzen, um mit dem Unternehmen und anderen Personen in Kontakt zu bleiben und ihre Arbeitsaufgaben zu erfüllen.
Wohnsitz in Deutschland, arbeiten im Ausland: Wie regelt das neue multilaterale Abkommen grenzüberschreitende Telearbeit?
Mit dem neuen multilateralen Abkommen ist eine Ausnahmevereinbarung für Telearbeit möglich, wenn diese Tätigkeit zwischen 25 und weniger als 50 Prozent der gesamten Arbeitszeit beträgt. Damit können Mitarbeitende bis zu 49,99 Prozent der Arbeiten im Ausland (Homeoffice) erbringen, ohne in ein anderes Sozialversicherungssystem zu fallen.
Arbeiten im Ausland ohne Sozialversicherung zu wechseln
Mit dieser Rahmenvereinbarung bleibt trotz Arbeiten im Ausland die Sozialversicherung im Staat des Unternehmenssitzes erhalten, wenn die folgenden Anforderungen erfüllt sind:
1. Die Arbeitstätigkeit ist für ein Unternehmen in jenem Staat gedacht, in dem es seinen Firmensitz hat.
2. Die Person übt die Homeoffice-Tätigkeit (Telearbeit) im Wohnsitzstaat aus.
3. Es ist kein drittes Land (außer Wohnsitzstaat und Unternehmenssitzstaat) beteiligt. Arbeiten die Beschäftigten für mehrere Unternehmen gleichzeitig, müssen diese den Sitz im selben Staat haben.
4. Die Homeoffice-Tätigkeit oder Telearbeit beträgt zwischen 25 und weniger als 50 Prozent der gesamten Tätigkeit.
5. Die Interessen der Mitarbeitenden sind in einer gemeinsamen Vereinbarung abzusichern.
Achtung: Sie sollten bedenken, dass Sie die Anwendung der Rahmenvereinbarung nur für maximal 2 Jahre beantragen können und dann wieder verlängern lassen müssen. Bei Firmensitz in Deutschland bringen Sie den Antrag auf Ausnahmevereinbarung beim GKV-Spitzenverband, DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland) ein.
Beispiel: Eine IT-Fachkraft mit 5-Tage-Woche arbeitet zwei Wochentage vom Wohnsitz in Tschechien aus im Homeoffice für ein Unternehmen mit Firmensitz in Deutschland. In diesem Fall kann das deutsche Sozialversicherungsrecht bestehen bleiben.
Das multinationale Abkommen ist insbesondere für Grenzgänger:innen gedacht, die vor der Erweiterung der Telearbeit zum Arbeiten in den Staat des Unternehmenssitzes gependelt sind. Es gilt nicht für Mitarbeitende, die im Wohnsitzstaat andere Aufgaben als Telearbeit erbringen oder außerhalb des Wohnstaates und des Unternehmensstaates in einer Niederlassung in einem Fremdstaat arbeiten.
Workation in der EU: Entsenderegelungen beachten
Die Situation „Wohnsitz in Deutschland, arbeiten im Ausland“ ist wie eine Entsendung einzustufen, wenn diese Workation innerhalb der EU erfolgt. Wenn die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, gilt das deutsche Sozialversicherungsrecht auch, wenn die Arbeitskraft vorübergehend vom Homeoffice im Ausland aus tätig ist.
Demnach sind bei Workation innerhalb der EU-Länder diese Regelungen nach Artikel 12 Absatz 1 VO (EG) 883/04 zu beachten:
- Die Arbeitskraft arbeitet vorübergehend von einem anderen Staat aus für ein in Deutschland ansässiges Unternehmen.
- Die Entsendung dauert voraussichtlich nicht länger als 24 Monate.
- Die Arbeitskraft löst keine andere entsandte Arbeitskraft ab.
- Direkt vor der Entsendung waren für wenigstens einen Monat die deutschen Regelungen anwendbar.
- Das Unternehmen übt seine Tätigkeit gewöhnlich in Deutschland aus.
Dies gilt auch dann, wenn der Wunsch nach der Workation von den Mitarbeitenden ausgeht. Bei Beschäftigten, die für ein deutsches Unternehmen vorübergehend vom Ausland aus arbeiten, kann Sozialversicherung in Deutschland bestehen bleiben, wenn eine Entsendung vorliegt.
A1-Bescheinigung bei grenzüberschreitender Tätigkeit
Für Mitarbeitende mit grenzüberschreitender Tätigkeit müssen Sie eine A1-Bescheinigung beantragen. Wenn Beschäftigte diese Bescheinigung nicht vorweisen können, drohen hohe Bußgeldzahlungen. Das multinationale Abkommen deckt nur das Sozialversicherungsrecht in EU, EWR und Schweiz, nicht aber Lohnsteuer- und Aufenthaltsrecht ab. Es gilt für jene Staaten, die die Rahmenvereinbarung unterschrieben haben: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien und Tschechien. Dem Abkommen können sich noch weitere Länder anschließen, sodass die Gültigkeit für das jeweilige Land individuell zu prüfen ist.
Was müssen Sie bei Homeoffice in anderen Fremdstaaten beachten?
Bei Homeoffice in Fremdstaaten, für die weder dieses Abkommen noch die EU-Regelungen gelten, müssen Sie für Arbeiten im Ausland zu Sozialversicherung und Recht zusätzliche Anforderungen beachten. Dies hängt davon ab, welchen Staaten die Mitarbeitenden angehören. Auch bei einem überwiegenden Privataufenthalt im Ausland ist digitale Arbeit als Berufstätigkeit in diesem Drittstaat einzustufen. Demnach müssen Sie bei dieser Homeoffice-Tätigkeit das ausländische Aufenthaltsrecht beachten, um eine illegale Beschäftigung im Ausland zu vermeiden. Weitgehend unkompliziert erhalten Sie die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis durch eine interne Entsendung in eine Tochtergesellschaft im Zielland. Diese Lösung ist nur für internationale, meist große Unternehmen möglich.
Wie können Sie vorübergehendes Homeoffice im Ausland rechtlich umsetzen?
Mit Beschäftigten, die länger als einen Monat ein Homeoffice im Ausland haben, sollten Sie eine Zusatzvereinbarung im Arbeitsvertrag treffen. In jedem Fall sollten Sie bei solchen Arbeiten im Ausland Sozialversicherung und Steuerrecht sowie das Betriebsstättenrisiko abklären. Außerdem ist zu hinterfragen, welches Arbeitsrecht für die Situation Wohnsitz in Deutschland arbeiten im Ausland anzuwenden ist. Hier hat das Arbeitsrecht Vorrang, das dem Staat mit dem gewöhnlichen Arbeitsort zuzuordnen ist.
Zeitlichen Rahmen klären
Den zeitlichen Rahmen sollten Sie sowohl arbeitsrechtlich als auch bezüglich der 183-Tage-Regelung im Steuerrecht berücksichtigen. Eine Tätigkeitsdauer von mehr als 183 Tagen kann die Lohnsteuerpflicht im Zielland auslösen.
A1-Bescheinigung beantragen
Für Mitarbeitende, die grenzüberschreitend in einem EU-Land, EWR-Staat oder der Schweiz Homeoffice praktizieren, beantragen Sie bei der DVKA elektronisch eine A1-Bescheinigung. Diese Bescheinigung nach Artikel 16 Absatz 1 VO (EG) 883/04 weist nach, dass die Beschäftigten weiterhin der Sozialversicherung in Deutschland unterliegen. Genauso gehen Sie vor, wenn die Homeoffice-Einsätze Länder betreffen, mit denen ein Sozialversicherungsabkommen mit Deutschland besteht. Für Staaten, mit denen Deutschland ein Abkommen über soziale Sicherheit unterzeichnet hat, gilt dieses elektronische Antragsverfahren nicht. Demnach senden Sie den Antrag auf Ausnahmevereinbarung per Post an die DVKA mit Sitz in Bonn.
Was gilt bei dauerhafter Homeoffice-Tätigkeit im Ausland?
Schwieriger wird es, wenn Mitarbeitende aus privaten Gründen in ein fremdes Land auswandern und von dort aus dauerhaft im Homeoffice für deutsche Unternehmen arbeiten. In diesen Fällen ist das Arbeiten im Ausland nicht mehr vorübergehend, sodass die oben genannten Regelungen nicht anwendbar sind. Das führt zu rechtlichen Änderungen. Wenn Mitarbeitende ausschließlich im Homeoffice im Ausland arbeiten, befindet sich auch der gewöhnliche Arbeitsort in diesem Zielland, nicht aber im Heimatstaat des Unternehmens. In diesem Fall genügt es nicht mehr, das anwendbare Recht zu wählen und eine zusätzliche Vereinbarung nach deutschem Arbeitsrecht zu treffen.
Es gibt eine Option, auf die einige Firmen ausweichen: Das Unternehmen schließt eine unabhängige Auftragnehmer-Vereinbarung ab, die Mitarbeitenden den Freelancer-Status einräumt. Damit fallen allerdings die Weisungsrechte weg. Außerdem sind mögliche Scheinselbstständigkeitsbestimmungen im Beschäftigungsstaat zu beachten. Ferner sollten Sie prüfen, ob und welche Verpflichtungen Ihr Unternehmen als Arbeitgeber hat.
Fazit zu Workation und Homeoffice im Ausland
Es gibt kein allgemeines Recht auf Homeoffice im Ausland. Daher liegt es an Ihnen, ob Ihr Unternehmen Mitarbeitenden eine solche Telearbeit genehmigt oder nicht. Falls Sie Ihren Beschäftigten eine ausländische Homeoffice-Tätigkeit gestatten, sollten Sie Art und Umfang des Arbeitens im Ausland sowie Sozialversicherung und andere rechtliche Umstände klar vereinbaren. Sie sollten jedenfalls vorausschauend planen, um nachträgliche Rechtsprobleme wie eine illegale Tätigkeit zu verhindern. Damit können Sie sich auch eine aufwendige Rückabwicklung ersparen.
Im Idealfall beschränkt sich bei einem Wohnsitz in Deutschland das Arbeiten im Ausland auf eine vorübergehende Tätigkeit. Damit ist es leichter möglich, weiterhin deutsches Arbeitsrecht anzuwenden, wenn der Arbeitsschwerpunkt in Deutschland liegt. Steuerrechtliche Konsequenzen wie eine ausländische Steuerpflicht können Sie durch die 183-Tage-Regelung begrenzen. Dies gilt dann, wenn bei einem fortbestehenden Wohnsitz in Deutschland das Arbeiten im Ausland nur vorübergehend über Homeoffice erfolgt. In puncto Steuerrecht sollten Sie jedenfalls die Sondervorschriften des entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommens berücksichtigen.